Interview mit Stefan Scholz: Wie läuft die Zusammenarbeit der Agentur für Arbeit mit Amazon?

Im August 2021 hat ein neues Amazon Logistikzentrum in Gera den Betrieb aufgenommen. Wir haben uns dazu mit Stefan Scholz unterhalten. Er ist seit 2019 Vorsitzender der Geschäftsführung in der Agentur für Arbeit Thüringen Ost.

Herr Scholz, Sie waren gemeinsam mit Ihrem Team für die Vermittlung von Arbeitskräften für das neue Amazon Logistikzentrum nördlich von Gera verantwortlich. Wie ist die Zusammenarbeit mit Amazon entstanden? Wann und wie ist Amazon auf Sie zugekommen?

Zuerst ist der Oberbürgermeister von Gera auf mich zugekommen. Das war bereits im Jahr 2019. Wir haben uns gemeinsam an einen Tisch gesetzt und haben überlegt, ob wir das Potential an Arbeitskräften haben, das für das neue Logistikzentrum benötigt wurde. Im November 2020 gab es den ersten Termin mit Personalentscheider:innen von Amazon. In der Folge waren dies stets Absprachen zwischen den Amazon-Verantwortlichen, der Geschäftsführung des Jobcenters Gera und mir. Von März bis Mai 2021 hatten wir zahlreiche, zum Teil ganztätige Besprechungen mit dem künftigen Niederlassungsleiter, der Wirtschaftsförderung sowie Vertretern des ÖPNV. Getroffen haben wir uns zunächst monatlich, später 14-tägig.

Gab es gemeinsame Informationsveranstaltungen mit Amazon? Wie lief die Zusammenarbeit ab?

Ja, wir haben mehrere gemeinsame Informationsveranstaltungen im Berufsinformationszentrum der Agentur für Arbeit organisiert. Die Veranstaltungen waren ohne Anmeldung frei zugänglich. Außerdem haben wir gezielt Personen eingeladen, deren Jobprofil zu den Anforderungen von Amazon gepasst hat. Und zur Zusammenarbeit: Das, was wir mit den Entscheider:innen von Amazon abgesprochen haben – sowohl mit den Personalentscheider:innen als auch mit der Standortleitung – hatte eine hohe Verlässlichkeit. Natürlich kommt es bei der langen Vorbereitungszeit auch mal zu kleinen Änderungen, aber man merkt, dass sehr viel Erfahrung im Aufbau und in der Entwicklung eines Logistikstandortes vorhanden ist.

Haben Sie es geschafft, zur Eröffnung alle 2.000 Stellen zu besetzen?

Wir haben es beinahe geschafft. Zum Start Ende August 2021 waren 1.850 der 2.000 Arbeitsplätze besetzt. Danach kam schnell das Weihnachtsgeschäft dazu. Das ist nochmal eine besondere Herausforderung, aber auch hier waren wir erfolgreich. Der gesamte Bewerbungsprozess hat 10 Monate gedauert. Als Erfolgsfaktor hat sich erwiesen, dass wir von Anfang an die benachbarten Arbeitsagenturen und Jobcenter in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen mit eingebunden haben.

Wurden Arbeitskräfte von Amazon abgeworben? Haben kleinere Unternehmen aus der Region durch die Ansiedelung von Amazon Arbeitskräfte verloren?

Diese Frage haben wir uns damals auch gestellt. Es ist wichtig zu wissen, dass Amazon nicht in aggressive Werbung investiert, die sich an Beschäftigte anderer Unternehmen richtet. Das steht in ihrer Business Policy. Einen ‚Staubsauger-Effekt‘, der die Beschäftigten von anderen Unternehmen ‚großflächig wegsaugt‘, habe ich nicht erlebt. Es hat aber Unternehmen gegeben, die sich bei mir beschwert haben, dass ihre Beschäftigten gekündigt haben und zu Amazon wechseln. Das waren weniger als fünf Arbeitgeber. Die Ansiedlung von Amazon hat auch dazu geführt, dass die Durchschnittslöhne in der Region gestiegen sind. Andere Unternehmen in der Region haben sich also an den von Amazon gezahlten Lohn angepasst, in dem sie Lohnerhöhungen für die eigene Belegschaft realisiert haben.

Wo kommen die Mitarbeiter von Amazon her? Sind sie aus der Region oder haben sie längere Anfahrtswege?

Allgemein lässt sich sagen, dass die Mitarbeiter:innen aus einem Umkreis von 50 Kilometern kommen. Gemeinsam mit Amazon und den umliegenden Städten wurde das Busnetz ergänzt und an den Schichtplan von Amazon angepasst.

Im Zusammenhang mit der Neueröffnung eines Logistikzentrums von Amazon ist oft die Rede von einem „Amazon-Effekt“. Konnte man diesen Effekt auch am Standort Gera beobachten?

Ja, dieser Effekt ließ sich auch für den Standort Gera beobachten: so hatten wir zwischen März 2021 und März 2022 ein Zuwachs an Arbeitsplätzen in Höhe von vier Prozent. Das ist der größte Arbeitsplatzgewinn, den wir in Gera seit den 1990er Jahren je verzeichnet haben.